es ist bereits eine reihe von jahren her, da habe ich mir eingestehen muessen, dass die experimentalphysik und ich niemals gute freunde werden wuerden. seitdem verbringe ich meine arbeitstage vor 2-3 computerbildschirmen, schreibe simulationen und implementiere modelle von der welt wie ich sie sehe. aus gruenden die ich nicht mehr so genau nachvollziehen kann - ich glaube es hing vage mit meiner reiselust zusammen - tue ich dies in einem krankenhaus in london. vor einer woche stuerzte der computer-cluster, auf dem meine modelle den lauf der strahlentherapie-welt vorhersagen, ab.
also beschloss ich mich von der wirklichkeit inspirieren zu lassen und erinnerte ich mich an das angebot einer mich regelmaesig um computer-rat fragenden aerztin sie einen nachmittag lang in der klinik zu begleiten. tags darauf kam ich also mit hemd auf die arbeit, lieh mir einen weissen kittel und fand mich in einem kleinen raum voller menschen in weissen kitteln wieder, die im ausgestorben geglaubten 2-finger-such-system patientennamen in vergilbte computertastaturen tippten und lateinische woerter in diktiergeraete sprachen. im laufe des nachmittags wurde ich von 4 verschiedenen aerzten in behandlungs-zimmer mitgeschleppt und als "my colleague Florian Bsjdfhttner" vorgestellt. als solcher guckte ich dann ueber aerzteschultern in patienten-nasen und -muender und manchmal durfte ich die frage "what do you think, florian?" beantworten. entweder sagte ich dann "mucositis grade 2" oder murmelte nichtssagendes mit viel aehs bis sich der professor wieder daran erinnert hatte dass ich ein physiker ohne ahnung von medizin bin. die patienten deren entzuendete muender und nasen ich besah hatten alle krebs im kopf- oder halsbereich. typischerweise sind sie schwere trinker und kettenraucher, haben keine lust mit der ernaehrungsberaterin und der sprachtherapeutin zu reden und wollen mehr morphium. bis auf 2 ausnahmen.
ausnahme nummer eins wartete mit einem maschinengeschriebenen zettel, dem ruf als organisiertester patient der hals-und kopf einheit und in einem t-shirt mit aufdruck "world cup germany 2006" auf uns. auf dem zettel standen wie jede woche allerlei beaobachtungen rund um seinen gesundheitszustand, von esssensaufnahme bis hautbeschaffenheit. er unterhielt sich interessiert mit der ernaehrungsberaterin, und als die ihn fuer seine gute mitarbeit lobte, schaltete sich seine frau ein und versicherte mit starkem deutschen akzent, dass sie selbstverstaendlich alles haargenauso tun wuerden, wie der herr doktor es ihnen auftragen wuerde.
ausnahme nummer zwei war ein aelterer herr mit einem stark strahlentherapie-verbranntem hals und die schmerzmittel-frage konterte er mit dem krieg: der habe ihn hart gemacht und seitdem habe nicht eine paracetamol genommen und gedenke auch nicht mehr damit anzufangen. da habe ich dann beschlossen dass es reicht mit der inspiration und ueberlegt wie ich die "deutsche-ehefrau-ausnahme" in meine mucositis-modelle einbauen koennte.